Cookie Consent by FreePrivacyPolicy.com Was hat die EU-Dumpingpolitik mit einem Hühnerfrikassee auf dem Tisch von Bauern im westafrikanischen Burkina Faso (Kamerun) zu tun ? / mGGp - für eine menschliche Gesellschaft
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Was hat die EU-Dumpingpolitik mit einem Hühnerfrikassee auf dem Tisch von Bauern im westafrikanischen Burkina Faso (Kamerun) zu tun ?









Bonn (DT) Maurice Oudet ist Missionar im westafrikanischen Burkina Faso. Seit zwei Jahrzehnten versucht er, das Los der ländlichen Bevölkerung zu verbessern. Während einer Reise zu einem Treffen von Bauernverbänden hält er mit seinen Begleitern in einem kleinen Dorf zum Mittagessen an. Auf ihre Bestellung kommt statt des gewohnten saftigen Hühnchens ein undefinierbares, geschmackloses Frikassée auf den Tisch. Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass es sich dabei um ein „Poulet congelée“ handelt, ein Gefrierhühnchen aus der Europäischen Union. Aber wie hat es ein Huhn aus der Massentierhaltung in Europa geschafft, das lokale Dorfhuhn von der Speisekarte im Buschrestaurant von Burkina zu vertreiben? Kaum zu glauben, aber das Gefrierhühnchen in Afrika hat etwas zu tun mit der Gesundheits- und Wellness-Welle der vergangenen Jahre. Die Erkenntnis, dass Cholesterin und Übergewicht ein Gesundheitsrisiko darstellen, machte eine fettarme Diät populär und veränderte die Rezepte in Kochbüchern und Frauenzeitschriften. Statt des fetten, halben Hühnchens wurde jetzt eine magere Hühnerbrust oder ein Filetstück vorgeschlagen. Das veränderte Verbraucherverhalten stellte die Produzenten vor ein Problem: Was mit dem Restteilen machen? Denn die Verwendung für Hunde und Katzenfutter ist begrenzt. Und der jahrelang praktizierten Verarbeitung als Futtermittel für Kühe setzte der BSE-Skandal ein Ende.
Verheerende Auswirkungen der europäischen Dumpingpolitik
Was lag näher, als dafür neue Märkte in den Entwicklungsländern zu suchen, wo Menschen kaum unter Cholesterinproblemen leiden. Agrar- und Exportsubventionen garantieren, dass der Preis des europäischen Gefrierhühnchens trotz tagelangem Transport im Kühlcontainer unter dem der afrikanischen Produzenten liegt. Geflügelfarmen in Kamerun, die oft mit Kleinkrediten aus Entwicklungsgeldern finanziert worden waren, machten reihenweise dicht. Denn wie überall auf der Welt kaufen die Verbraucher auch in Afrika, was am billigsten angeboten wird – ganz besonders dort, wo man weniger als einen Euro am Tag zum Leben hat.

Kamerun ist ein gutes Beispiel für die verheerenden Auswirkungen einer europäischen Dumpingpolitik. 1994 importierte das Land nur sechzig Tonnen Geflügel. 1996 trat Kamerun der Welthandelsorganisation bei und akzeptierte die Regeln der Handelsliberalisierung. Die Importe stiegen auf über 3 000 Tonnen, und 2003 hatten sie 22 153 Tonnen erreicht. Das Resultat: 92 Prozent der lokalen Produzenten machten pleite, 10 000 Arbeitsplätze gingen verloren. Dem Lande kosteten die Importe fünfzehn Millionen Euro Divisen.

Das traditionelle afrikanische Huhn findet seinen Weg vom Bauernhof zum Markt auf dem Gepäckträger eines Fahrrads oder in großen Körben auf dem Dach eines Busses oder Lastwagens. Es wird an den Kunden lebend verkauft, zu Hause geschlachtet und kommt so frisch auf den Familientisch. Anders die importierten Hühnerteile. Aus dem Kühlcontainer entladen, bleiben sie erst mal ein paar Stunden im Hafen liegen, bis Hafenbehörde und Zollamt mit einem entsprechenden Schmiergeld dazu bewegt worden sind, die Ladung freizugeben. Das inzwischen angetaute Fleisch tritt unter der glühenden afrikanischen Sonne auf einem Lieferwagen den langen Weg auf den Markt in der Stadt an. Inzwischen sieht der Hühnerflügel schon etwas gelblich aus. Beim Warten auf einen Käufer verwandelt er sich zum idealen Brutplatz für Salmonellen und andere Tierchen.

Eine offizielle Untersuchung stellte fest, dass 83 Prozent aller Importhühnchen auf den Märkten in Kamerun für menschlichen Verbrauch nicht mehr zulässig waren. Und das merkten auch die Kameruner mit der Zeit, als sie vor allem nach Hochzeitsparties oder Beerdigungszeremonien, auf denen gern die billigen Hühnchen serviert werden, reihenweise krank wurden. Im vergangenen Jahr gab es in Kamerun eine bisher einmalige Revolution der Verbraucher. Sie schlossen sich in einem „Verband für die Verteidigung der Bürgerinteressen“ zusammen und organisierten eine äußerst effektive Kampagne: „Afrika – Die Mülltonne Europas!“ hieß es in Zeitungsüberschriften. Auf Plakaten im ganzen Land konnte man lesen: „Gefrierhühner – Ein tödliche Gefahr: Für unsere Gesundheit – Für unsere Produzenten – Für unsere Volkswirtschaft“.

Dem massiven Druck der Zivilgesellschaft konnte sich Präsident Paul Biya, der Kamerun seit 22 Jahren regiert, in einem Wahljahr nicht entziehen. Jetzt stellt ein Importzoll von zwanzig Prozent sicher, dass der Preis der Importhühner in etwa auf der Höhe des Produktionspreises für einheimisches Geflügel liegt. Die lokalen Geflügelzüchter haben wieder eine Chance – vorausgesetzt, die Entwicklungshilfe aus Europa gibt ihnen noch einmal Kredite, um das wiederaufzubauen, was die Exportpolitik der Europäischen Union zerstört hat. Auch die Europäische Union will sich bessern. Seit Beginn diesen Jahres sind die Exporteure für den einwandfreien Zustand der Ware bis hin zum Verbraucher verantwortlich – nicht nur innerhalb Europas, sondern auch im Ausland.

Der Skandal um die Gefrierhühner beleuchtet das viel größere Problem der Dumpingpraxis der Europäer und anderer Industriestaaten. Agrar- und Exportsubventionen für Nahrungsmittel zerstören die Existenzgrundlage der Kleinbauern in den Entwicklungsländern. Solange die Politik nicht ernst macht mit dem Abbau dieser handelsverzerrenden Subventionen, bleibt alle Rhetorik über Armutsbekämpfung leeres Gerede.
Wolfgang Schonecke
Netzwerk Afrika Deutschland
Veröffentlicht in "Die Tagespost" 17.02.2005




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